Clik here to view.

Syrische Flagge, http://www.auswaertiges-amt.de
Auf die Gefahr hin, dass das Blog zu einem ein-Thema-Blog-Syrien wird, soll trotzdem ein kurzer Lageüberblick erfolgen:
Der Waffenstillstand in Syrien hat offenbar nur wenige Stunden gehalten. BBC berichtet heute Mittag in einem Überblick unter Berufung auf das Syrian Observatory for Human Rights von mindestens einem getöteten Aufständischen in Hama. Die Proteste seien zudem in verschiedenen syrischen Städten wie Damaskus, Homs, Aleppo, Idlib oder Deir al-Zour fortgeführt worden. Im letztgenannten Ort habe es zudem in der Nacht, als der Waffenstillstand griff, weitere Tote gegeben. BBC und auch UN-Kreise bewerten den Waffenstillstand als “relatively respected”. Sarkozy machte am heutigen Freitag dagegen klar, dass er Assad nicht traue und die Einhaltung des Waffenstillstandes unglücklicherweise für unsicher halte.
Was im Hinblick auf die Türkei und den evtl. NATO-Bündnisfall besorgniserregend ist: Maschinengewehrgefechte wurden aus dem Dorf Khirbet al-Joz in der nördlichen Provinz Idlib, in der Nähe der türkischen Grenze gemeldet. Eine weitere Verletzung der Grenzen würde folgenreich sein. Focus Online spielt derweil verschiedene mögliche Szenarien für die Bundeswehr durch. Heerestruppen in Syrien oder der Türkei seien demnach irreal, jedoch Marineeinheiten oder Versorgungshilfen nicht. Zudem würde das Ausland die Deutsche Beteiligung insbesondere einem kritischen Blick unterziehen, hatte man sich im Libyenkrieg doch als unzuverlässiger Bündnispartner erwiesen. Das Pulverfass Naher Osten steht wie lange nicht mehr vor der Entzündung. Weitet man den Blick auf das angrenzende Israel und den Iran aus, zeigt sich die Tragweite dieser unsicheren Region deutlich. Ein Konflikt in dieser Region könnte zum richtungweisenden Ereignis für die Zukunft der NATO werden.
Im UN-Sicherheitsrat wird am heutigen Freitag derweil über eine Beobachtermission entschieden. Weitere Ereignisse und Maßnahmen bleiben Spekulation. Die Türkei hat jedenfalls Stärke bewiesen und mit ihrer Drohung, die sich auch gegen die Assad unterstützenden Regierungen von Russland und China gerichtet hat, eine deutliche Linie gezogen, deren Überschreitung weitreichende Folgen haben könnte.
Nachtrag 1 (13.04.12; 18:00): Laut einer Reuters-Meldung von 5:27pm BST hat sich die Opferzahl des heutigen Tages auf fünf erhöht. Unter den Opfern ist offenbar ein syrischer Armeeoffizier. Nach den Freitagsgebeten soll es landesweit weitere Demonstrationen gegeben haben. Laut Oppositionellen sei das Militär in den Straßen vieler Städte “in Stärke” präsent. Der Waffenstillstand wird von Aufständischen mit zynischen Sprechchören kritisiert. Aus dem Grenzgebiet zur Türkei gibt es keine mir bekannten neuen Meldungen.
Nachtrag 2 (14.04.12; 15:00): In der Nacht zum Samstag sei nach diversen Meldungen Oppositioneller und des Syrian Observatory for Human Rights die Stadt Homs von Assad-Truppen für eine Stunde unter Artilleriebeschuss genommen worden. Die aktuelle insgesamte Opferzahl seit Inkrafttreten des Waffenstillstandes liege nun bei sechs.
Unterdessen wurde ein Schiff deutscher Provenienz der Reederei Bockstiegel mit Waffenlieferungen an die Assad-Truppen gestoppt. Die Atlantic Cruiser sei an die ukrainischer Firma White Whale Shipping Odessa gechartert gewesen und in Djibuti mit iranischen Waffen und Gerät bestückt worden. Ziel sei der syrische Hafen Tartus gewesen. Überläufer der syrischen Behörden hatten die Reederei und Oppositionelle in Syrien vor der Fracht des Schiffes gewarnt.
Der UN-Sicherheitsrat soll am heutigen Samstag über eine geplante Beobachtermission abstimmen. Eine entsprechende Resolution hätten die westlichen Mächte vorgelegt. Die Haltung Russlands sei bislang noch nicht klar. UN-Beobachter könnten laut Angaben des Deutschlandfunks im Falle eines Inkrafttretens sehr bald in die Region entsandt werden.
Nachtrag 3 (14.04.2012, 18:00): Die Opferzahlen bewegen sich nun um die 17 herum. Unter anderem seien mehrere Menschen von Sicherheitskräften während einer Beerdigung in Aleppo getötet worden. Ist der Waffenstillstand eine Farce? BBC ist der Ansicht, “the ceasefire appears to be in danger of collapsing in some parts of Syria.”
Ebensfalls laut BBC hat sich der UN-Sicherheitsrat derweil für die Entsendung von Beobachtern entschieden. Russland habe einem überarbeiteten Resolutionstext zugestimmt. Es bleibt fraglich, ob diese Gruppe von UN-Beobachtern guten Gewissens in eine derartig fragile Situation entsandt werden kann, ohne dass Gefahr bestünde, dass sie zwischen die Fronten geraten. Die Opferzahlen steigen leider wieder stetig.
Nachtrag 4 (14.04.2012, 21:40): Wirft man einen Blick auf Youtube, so findet man eine Masse von heute hochgeladenen Videos aus Syrien, die teilweise auf den Seiten des Handelsblattes oder Reuters’ rezitiert werden. Exemplarisch hier ein Video, welches angeblich in Homs am heutigen Samstag aufgenommen wurde:
[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=E5tD-FPYWHc]
Nachtrag 5 (15.04.2012, 09:40): Laut den letzten Meldungen von Reuters, New York Times, BBC und SkyNews bleibt der Waffenstillstand in Syrien brüchig. Jim Muir, für BBC in Beirut, deutet den Waffenstillstand “to be in danger of collapsing, unless something is done to shore it up.” Susan Rice, Abgesandte der USA bei den UN gibt zu bedenken, dass man sich keiner Illusion hingebe. Den Beschuss von Homs deutet sie “absolutely” als Bruch des Waffenstillstands. Laut Angaben Oppositioneller seien am Samtag über 20 Opfer zu verzeichnen gewesen. Neben dem Artilleriebeschuss von Homs habe es in der Stadt ein erhebliches Aufkommen von Kämpfern der Free Syrian Army gegeben. Gleichsam zeigen die Assad-Truppen Präsenz. Die syrische Regierung spricht ihrerseits von verschiedenen Angriffen von Terroristen. Ein Parlamentskandidat und ein Offizier der syrischen Armee seien von Terroristen entführt worden.
Ein nicht weiter benannter UN-Offizieller deutet laut Sky News die kommende Beobachtermission als schwierig, da es faktisch keinen Waffenstillstand gebe. Unbewaffnete UN-Beobachter könnten zwischen die Fronten geraten, gingen die Kämpfe trotz des Waffenstillstands weiter. Auch international, so von französischer Seite, wird Assads Einhaltung des Waffenstillstands kritisch betrachtet. Ban Ki Moon fordert eine absolute Bewegungsfreiheit für die UN-Beobachter. Ein Team von 6 Beobachtern soll innerhalb der nächsten 24 Stunden von New York in Syrien eintreffen. Weitere sollen kurzfristig folgen.
Nachtrag 6 (16.04.2012, 13:25): Aus der Auswertung der verschiedenen aktuellen Presseberichte ergibt sich zum Start der Woche bislang keine weitere Zuspitzung der Gewalt in Syrien. Die syrische Regierung schließt ein erneutes gewaltsames Vorgehen ihrer Truppen gegen, wie es heißt Terroristen und terroristische oder kriminelle Angriffe, vor allem in der Stadt Homs, jedoch nicht aus. Aktivisten berichten, Homs sei am gestrigen Sonntag erneut unter Feuer genommen worden. Angeblich seien 6 Menschen getötet worden; weitere 4 Leichen wurden geborgen. Helikopter und Flugkörper seien zudem am frühen Montagmorgen beobachtet worden.
Die staatliche Nachrichtenagentur SANA berichtet, eine terroristische Gruppe hätte gestern in der Provinz Idlib (nahe der türkischen Grenze) Armeeeinheiten angegriffen. Ein Soldat sei getötet, 4 weitere verwundet worden. SANA kritisiert außerdem, dass die Zahl der terroristischen Angriffe auf treue syrische Bürger oder die syrische Armee seit der Verkündigung des Waffenstillstands deutlich zugenommen hätte.
Am Sonntagabend seien 5 UN-Beobachter in Syrien eingetroffen. Etwa 25 weitere sollen folgen. Während die UN-Offiziellen eine Bewegungsfreiheit der Beobachter fordern, entgegnet die Assad-Regierung, syrische Offizielle müssten in die Wegeplanungen einbezogen werden, um die Sicherheit der UN-Beobachter gewährleisten zu können. Es drängen sich Parallelen zum Umgang mit Journalisten auf, denen der Zugang zu den Krisenherden bislang völlig verwehrt blieb.